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Gemälde Alte Meister – Teil 1

629 JAN BRUEGHEL D. Ä.,

629 JAN BRUEGHEL D. Ä., 1568 BRÜSSEL 1625 ANTWERPEN, Jan Brueghel d. Ä. war Sohn des Pieter Brueghel d. Ä. und der jüngere Bruder des Pieter Brueghel II. Seine Freundschaft mit Paul Bril anlässlich des gemeinschaftlichen Aufenthaltes in Rom ist ebenso bekannt, wie seine Zusammenarbeit mit Johann Rottenhammer. Zurück in Flandern wurde er 1597 Mitglied der Antwerpener Lukasgilde, später deren Dekan. Auch sein Sohn Jan Brueghel d. J. setzte die Maltradition erfolgreich fort. 1604 in Prag, wirkte er anschließend für den Hof in Brüssel. Letztlich zeugt das Gruppenbild seiner Familie, gemalt von P. P. Rubens, vom Rang des Künstlers zu seiner Zeit (Courtauld Gallery London). ST. GEORGS-KIRMES MIT TANZ VOR DEM WIRTSHAUS „IN DEN CROON“ Öl auf Holz. 37 x 56 cm. Die Darstellung dieses qualitätvollen Werkes führt uns ein typisches flämisches Volksfest vor. Die sogenannte „Sankt Georgs-Kirmes“ wurde zu einem Bildthema, dem sich mehrere Maler gewidmet haben. Darunter Pieter Brueghel d. J. (1564-1638) wie ebenso David Teniers d. J. (1610-1690) oder etwa David Vinckboons (1576-1629). Bereits vor Entstehung des vorliegenden Bildes schuf der Vater, Pieter Brueghel d. Ä. (1525/30- 1569), eine gleichthematische Darstellung, allerdings mit weniger Figuren. Aber anders als bei den sonst genannten Malern ist hier die sogenannte „Macchia Brueghels“ zu erkennen, also die Wertlegung auf klar umrissene, aus dem Gesamtbild sich abhebende Gestalten; auch ist dort eine ernstere Auffassung zu beobachten. Typisch für gerade diese Festdarstellung ist die in den Bildern jeweils farblich hervortretende rote, flatternde Fahne am Wirtshaus, bemalt mit der Gestalt des Heiligen Georg, dem das Fest gewidmet ist. Kompositionell bot dieses dominierende Farbmotiv auch die Gelegenheit, jeweils entsprechende rote Farbeffekte in Kleidern der Figuren einzusetzen. Die Farbpalette hatte sich im Vergleich zu Arbeiten des Vaters hier bei dem jüngeren Sohn Jan I Brueghel bereits verändert. Dies wird auch in dem vorliegenden Werk deutlich. Helle Kleider, ein heller leuchtendes Rot, aber auch das dichte Ineinander-Verweben der Figuren, verleihen dem Bild die typischen Ausdrucksformen dieses Meisters. Die Bildganzheit lässt eine klare kompositorische Gliederung erkennen: Eine betonte Vertikale in der Mitte des Bildes, geschaffen durch einen hohen Baum mit dahinterstehendem, verschatteten Kirchturm. Dadurch wird eine Zweiteilung der Darstellung erzeugt. Sie trennt die mehrfigurige, tanzende Gesellschaft vor dem Wirtshaus von der mit weniger Figuren besetzten rechten Bildhälfte, in der nobel gekleidete Figuren im Gespräch präsentiert werden. Offensichtlich ist ein Landes- oder Stadtherr, mit Hut und geschlitzten Ärmeln, dabei, mit einem Ratsherrn oder Architekten zu sprechen, der in dunklem Mantel steht und eine große (Plan?)-Mappe hält, während ein rot gekleideter junger Mann vermittelnd dazwischen in Erscheinung tritt. Zwei Frauen, eine mit einem Kind, begleitet von einem Hündchen, sind Teil dieser noblen Gruppe. Ganz anders verhält es sich vor der Taverne mit Tanzenden und Trinkenden. Die Lebendigkeit der Gruppen findet Entsprechung in der wehenden großen Fahne. Daneben hängt ein Wimpel an einem Ausleger, mit dem Wappen der Schenke: eine Krone auf rotem Feld, darunter noch teilweise erhalten die Aufschrift, die aus einem Stich genauer zu entziffern ist: „det is in de kroon“, also das Wirtshaus zur Krone. Auch in dieser Gruppe lassen sich originelle Genredetails entdecken, Leute am Tisch beim Schmausen, Mutter mit Kindern, Gedränge vor dem Wirtshauseingang, an der Ecke ein pinkelnder Alter, vor allem aber ein im Vordergrund tanzendes Paar, bei dem der Tänzer seiner leiblichen Fülle tänzerische Grazilität abzugewinnen sucht. Die Farbigkeit kommt hier umso besser zur Geltung, da sich etwa der Reigentanz vom braunen Hintergrund der Taverne und vor der Scheune abhebt. Ganz bewusst hat der Maler den eigentlichen Motor der Festlichkeit, nämlich die beiden Musikanten mit Dudelsack und Leier, ins untere Bildzentrum gestellt, in betontem Abstand zu den seitlichen Gruppen. Wie immer in diesen Maifest-Darstellungen fehlt auch hier nicht der religiöse Brauchtumsaspekt. Und wie auch in sämtlichen Gemälden anderer Maler, findet sich die Feiertagsprozession ziemlich weit im Hintergrund; hier eine ungeordnete Ansammlung vor der Kirche, jedoch weitgehend abgedunkelt in bläulicher Luftperspektive, die in die Baumgruppen des Hintergrundes hinüberzieht. Zwei Planwagen im Mittelgrund vor helleren Gebäuden deuten das Herankommen von Festfreudigen an. Auffallend ist, dass Jan I Brueghel auch hier in seinem Bild auf die sonst für ähnliche Themen übliche Rauferei-Darstellungen verzichtet hat. Auch dies ein charakteristisches Merkmals seines Werkes, ganz abgesehen von dem schöpferischen Humor, der in allen Personen und Einzelheiten steckt. Im beiliegenden Katalog wird an entsprechenden Details, Motivvergleichen und Einzeluntersuchungen, etwa der Pinselführung, die Handschrift des Malers mit Abstimmung weiterer Bilder seines Werkes dokumentierend bestätigt, wie etwa „Berglandschaft mit Jäger“, Städelsches Kunstinstitut, (Inv. 1258), aber insbesondere auch einer Reihe von Werken in Privatbesitz (s. Lit. Ertz). A.R. 138 HAMPEL ONLINE Visit www.hampel-auctions.com for around 7.000 additional images.

Anmerkung: Das Gemälde ist erstmals im Londoner Kunsthandel aufgetaucht und war damals in Diskussion Pieter II Brueghel zugeschrieben. Die hohe Qualität wurde stets gewürdigt, auch mit der Feststellung, dass die Pinselschrift bzw. stilistische Eigenheiten von dessen Vater noch erkennbar sei. Darüber hinaus wurden auch die Maler Martin I van Cleve, Abel Grimmer, wie ebenso Jan I und bereits Jan II Brueghel ins Gespräch gebracht. Die ersten Zweifel an einer Autorschaft Pieters II äußerte G. Marlier. In seiner Monographie von 1969 beurteilte er das Gemälde als höchst qualitätvoll, sah auch Zusammenhänge mit Martin van Cleve. Fast 20 Jahre später war die Frage nach der Autorschaft aufgrund des Sujets auch im WVZ zu Pieter II als noch nicht sogleich zu beantworten gesehen. Letztlich aber schufen weitere Untersuchungen in dieser Frage nun eindeutige Klarheit. Dass der in der Diskussion genannte Martin van Cleve nicht mehr in Betracht zu ziehen ist, geht allein schon aus dessen völlig anderen Kompositionsauffassung sowie der Farbpalette hervor. Auch die weiter genannten Maler wie Pieter Brueghel d.Ä. waren nun auszuschließen. Der in der Literatur genannte Ausstellungskatalog von 2019 und die darin enthaltene stilkritische Analyse von Jaco Rutgers stellt nun das Gemälde eindeutig ins Werk des Jan I Brueghel. Literatur: Jaco Rutgers, La Kermesse de la Saint-Georges avec des paysans devant l´auberge „In den Croon“, l´une des premières oevres anversoises de Jan I Brueghel, in Ausstellungskatalog: SandrineVèzilier-Dussart (Hrsg.), Fétes et Kermesses au temps des Brueghel, Musée de Flandre, Cassel, Ausstellung organisiert für das Departement-Musée de Flandre, 16. März - 14 Juli 2019, S. 73 ff. Jaco Rutgers, La Kermesse de la Saint-Georges avec des paysans devant l´auberge, in: Apollo, Heft Mai 1954. Georges Marlier, Pierre Brueghel le Jeune, Brüssel 1969. Vgl. Klaus Ertz und Nitze Ertz, Jan Brueghel d. Ä. (1558- 1625), Kritischer Katalog, Lingen 2008. Vgl. Mirjam Neumeister (Hrsg.), Brueghel. Jan Brueghel d. Ä. in der Alten Pinakothek, Hirmer Verlag, München 2013. (1260901) (1) (11) Translate all texts into your preferred language on our homepage via Google: www.hampel-auctions.com 139

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