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Kunstkammerobjekte

Spezialauktion Juni 2006 / Kuriositäten, Dekorative Objekte. Mineralien, Bronzen, Kostbarkeiten

805 Herkules Farnese

805 Herkules Farnese Herkules aufrecht stehend, den linken Arm auf die Säule und das darauf befindliche Löwenfell gestützt. Den Kopf hält er zur Seite geneigt, den rechten Arm hält er mit geballter Faust auf dem Rücken. Ovale Plinthe mit Lochung. Reste von Feuervergoldung. Feine glatte Patina. H.: 13,5 cm. Italien, 16./17. Jhdt. Anmerkung: Die feuervergoldete Bronzestatuette wurde nach dem Vorbild des sog. "Farnesischen Herkules" geschaffen, der sich heute als eine der Hauptattraktionen unten den antiken Marmorplastiken im Museo Nazionale in Neapel befindet. Finanzkräftige Römer hatten diese Skulptur, wie es in der römischen Kaiserzeit der Mode entsprach, bei einem griechischen Bildhauer Namens Glykon in Auftrag gegeben. Man geht heute davon aus, dass das griechische Vorbild für diese römische Figur eine Statue von Lyspill war. Ursprünglich stand der "Farnesische Herkules", der an die drei Meter in der Höhe misst, als "Kunst am Bau" in den Caracalla- Thermen in Rom, in deren Ruinen man ihn 1540 auffand. Er kam in den Besitz der römischen Aristokratenfamilie Farnese, die über Generationen antike Kunstschätze sammelte. Die Sammlung Farnese ging später auf dem Erbweg an die ab 1734 die Geschicke Neapels lenkenden spanischen Bourbonen über. Mit diesem Erbe kam der römische Herkules an den Golf von Neapel. Wurde der Herkules in der archaischen Epoche normalerweise inmitten der vita activa, also bewegt dargestellt, so setzt bereits im 5. Jhdt. v. Chr. die Tendenz ein, ihn in einer Ruhestellung wiederzugeben. Nun zeigte man den Helden in einer verhaltenen Schrittstellung im leichten Kontrapost mit dezent geneigtem Haupt, meist aufgestützt auf sein Attribut, die Keule mit dem Löwenfell. Die Wahl des Moments, in dem er dargestellt wurde, ist für diesen Typus im Aufbau grundlegend. Herkules sollte nach seinen Ruhmestaten in den Olymp aufgenommen werden, was ihm zwar ewige Jugend und Glorie verhieß, zugleich aber den Verlust seiner realen Kräfte bedeutete. Kurz vor Herkules Aufnahme in die Götterwelt ist der Moment, den der Bildhauer für seine Darstellung aussuchte: zwar ist der Körper sehr athletisch aufgebaut, doch deuten das geneigte Haupt und der aufgestützte linke Arm schon auf eine gewisse Niedergeschlagenheit hin. Die Herkules-Figur war nicht nur in der griechischen und römischen Antike epochemachend, sie regte seit ihrem Fund in der Hochrenaissance zahlreiche Bildhauer zu meist kleinformatigen Nachschöpfungen in Bronze an. Dabei konnten diese ganz exakte Wiedergaben des antiken Vorbilds sein, wie etwa das florentinische Beispiel aus dem letzten Viertel des 16. Jhdt. im Kunsthistorischen Museum in Wien oder die im 17. Jhdt. in Frankreich gefertigte Bronze-Skulptur, die in der Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden bewahrt wird. Im Unterschied zu diesen ist das Exemplar in der Auktion ohne den Felsen und die Keule des antiken Urbildes ausgeführt; der Bildhauer übernahm den Aufbau der Figur und das Löwenfell, das er - ebenfalls abweichend - über eine dekorative Säule drapierte, die gleichsam als Postament für den herabhängenden Arm dient. Literatur: Vgl. Die Bronzeplastiken, Kunsthistorisches Museum in Wien, bearbeitet von Leo Planiscig, Wien 1924, S. 145, Abb. 245. Vgl. weiterhin: Die Beschwörung des Kosmos: Europäische Bronzen der Renaissance. Ausstellungskatalog Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg, S. 135, Kat. 50. (62035210) € 15.000,- 56

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